Wie ich bereits in meinem letzten Beitrag beschrieb, fällt vielen Kindern sehr schnell auf, dass auf der Anlauttabelle bei den Vokalen stets zwei Bilder zu finden sind, die sich im Anlaut unterscheiden. So fragte ein Junge aus meiner Klasse, warum denn dort ein ein /ɛ/ zu finden sei, wenn wir doch bisher in den bis dato erarbeiteten Wörtern stets ein /e:/ gehört haben.

Hierbei bezog er sich auf die Stammsilbe und nicht auf die Reduktionssilbe. Dieses /ɛ/ scheint wie gesagt nicht hinterfragt zu werden.

Dies ist der Moment, um in das Baumuster II einzuführen. Hierbei ist die Hauptsilbe geschlossen, der Endrand ist besetzt. Der Vokalbuchstabe bezieht sich auf einen kurzen, ungespannten Vokal.
Der Anfangsrand der Reduktionssilbe ist dabei immer besetzt (Winter, alte).

Ich habe zu Beginn das unausgefüllte Leselineal am Smartboard präsentiert und gefragt, wie wir denn das Wort Winter, passend zu der Jahreszeit und zu einer ersten Lerntheke im Bereich Sachunterricht, schreiben würden.

Wie beschrieben starteten die Kinder bereits automatisiert, dass zunächst das “e” in der Reduktionssilbe eingetragen werden muss. Dies wurde in das Leselineal hineingeschrieben.

Dann haben sich die Kinder der Hauptsilbe zugewandt und begannen diese abzutasten. Der Laut des “i” (/ɪ/) in Winter klingt nicht wie der von vielen erwartete Laut des “i” (/iː/), wie in “Igel” auf der Anlauttabelle. Somit muss man als Lehrkraft diesen Teil der (teilweise bereits) “Diskussion” sehr eng leiten und ein wenig führen.

Zunächst versuchten sich die Kinder wieder mit einem “e”, wie in “Ente”, bemerkten aber ohne meine Hilfe, dass dieser Laut in der Hauptsilbe bei “Winter” nicht wirklich zu passen schien. Die Lautung gefiel einigen Kindern einfach nicht, so dass sie ein “Veto” einlegten und wir weiter “forschen” mussten.

Sie kamen schließlich auf das “i”, jedoch nicht wie in “Igel”, sondern wie in “Insel”.

Dieses trugen wir als Vokal in die Hauptsilbe ein. Im Endeffekt hat dieses Vorgehen in kleinen Murmelgruppen in der jeweiligen Tischgruppe vorab natürlich Zeit in Anspruch genommen, führte aber letztendlich zu einem allgemein sofort gemeinsam akzeptierten Ergebnis.

Jetzt wurden die Silben abgetastet, wobei die Hauptsilbe kein großes Problem darstellte. Die Reduktionssilbe stellte die Kinder jedoch vor ein Rätsel. Darauf komme ich gleich zu sprechen.

 Im Endeffekt mussten wir klären, warum das /ɪ/ in “Winter” anders klingt, als das /iː/ in z.B. “Igel”.

Hierfür schrieb ich das Wort “Igel” ebenfalls in ein Leselineal am Smartboard.

“.Auch hier wurde nun die Forscherfrage gestellt, welchen Unterschied die Kinder feststellen konnten.

Wieder besprachen die Tischgruppen sich in ihren Murmelgruppen. Zwei Gruppen kamen schnell auf das Vorwissen der vorherigen Stunden, dass das /iː/ in “Igel” deshalb so lang ausgesprochen werden würde, da der letzte “Raum” der “ersten Silbe” frei sei und sich das /iː/ somit ganz lang ausstrecken könnte.

Dem stimmten alle Gruppen zu. Eine Gruppe kam dann sofort darauf, dass ja in “Winter” der “letzte Raum” der “ersten Silbe” “bewohnt” sei. Daraufhin konnte man bei fast allen Kindern einen “AHA-Effekt” erleben, da ich selten ein so simultanes “Sich-Melden” bis dato gesehen hatte. Die Kinder insgesamt konnten hier den Transfer durchführen, dass der “letzte Raum” in “Winter” bewohnt sei und das “i” sich nicht ausstrecken könnte und nicht “laaaaang” ausgesprochen werden kann.

Ich fragte als Lehrkraft dann, wo die Kinder denn einen zweiten Laut für das /iː/ schon einmal gesehen, bzw. gehört hätten. Sehr schnell kamen die Kinder auf die Anlauttabelle und die beiden Anlautbilder zugehörig zu den jeweiligen Vokalen.

Ergebnis: Das an sich bekannte /iː/ wird in einem Wort, in welchem der “letzte Raum” der “ersten Silbe” “bewohnt” ist wie ein /ɪ/ ausgesprochen, z.B. zu finden in “Insel” auf der Anlauttabelle.

Die Kinder haben somit sehr schnell den Unterschied zwischen einer offenen und geschlossenen Silbe verstanden.

Diese Erkenntnis musste nun über das bereits vorgestellte Material aus “Wir lernen lesen” und dem Leselineal eingeschliffen und vertieft werden.

Es war sehr schnell zu bemerken, dass sich die Kinder wesentlich leichter, schneller und grundlegender Wörter “korrekt” über das Leselineal erlesen konnten, da der Unterschied zwischen einem lang und einem kurz ausgesprochenen Vokal in der Hauptsilbe elementar für die richtige Aussprache und somit dem Erkennen des Wortes entscheidend ist.

Gerade in der Förderung bei Kindern mit einem Migrationshiontergrund, einem unausgeprägten Wortschatz und meist ganz anderen Lauten in der Muttersprache kann diese Art des Erstlesens enorm unterstützen und durch das Visualisieren das anschließende Lautieren stützend “Hand-in-Hand” begleiten.

Bleibt aber noch das Problem der Endung bei “Winter”, denn die Endung fiel den Kindern sofort auf und passte für sie überhaupt nicht.

Nach einer kurzen Besprechung war die Endung dann jedoch gar kein Problem mehr und ist so fest im Vorgehen, Abtasten und Lesen verankert, dass diese Endung bis heute (Ende Klasse 1) so gut wie nicht falsch geschrieben, bzw. gelesen wird.

Den Kindern fiel bei dem Wort “Winter” in der Reduktionssilbe auf, dass dort ja ein /ɛ/ steht, obwohl ganz deutlich ein /a/ zu hören sei. 

Im Endeffekt musste ich dann als Lehrkraft die Führung übernehmen und verdeutlichen, dass bei den Wörtern, die wir momentan in den Silben lesen, stets ein /ɛ/ zu finden ist, egal was am Ende eines Wortes zu hören ist, wie z.B. in Winter oder Helfer.

Ich markierte im Wort “Winter” die Endung -er und setzte eine Regel gemeinsam mit den Kindern fest:

Solltest du in einem unserer Wörter am Ende ein /a/ hören, kann dort keines stehen, da stets ein /ɛ/ dort in der Mitte stehen muss.

Die Endung e+r wird zwar nicht als “a” in die Silbe eingetragen, jedoch so ausgesprochen.

Fazit: Die Endung -er in der Reduktionssilbe wird wie ein /a/ ausgesprochen, es wird jedoch -er geschrieben, da stetst ein /ɛ/ in der Reduktionssilbe im Kern stehen muss.

P.S. Man muss hier als Lehrkraft natürlich auf Übergeneralisierungen gefasst sein, da einige tatsächlich schlaue Kinder beginnen “Oma” und “Opa” als “Omer” und “Oper” zu verschriftlichen, bzw. “Mamer und Paper”. 

Diese Wörter sollte man als Lehrkraft einfach als “Ausnahmen” (in diesem Moment des Leselernprozesses) den Kindern gegenüber klarstellen und gff. als Lernwörter zum Lernen geben, so wie auch andere Wörter, die wichtig sein können, jedoch nicht in unser momentanes Silbenprinzip passen, z.B. “in, auf, mit, etc.”.